Blumen wie für Poesiealbum
„Welche Tasse die Schönste ist, kann ich wirklich nicht sagen“, meint Edelgard Weller und hält eine türkisgrüneTasse mit zart-goldenen Verzierungen hoch. „Diese Füßchen“, macht sie auf die vier kleinen Tassenfüße aus Goldaufmerksam. Und schon geht sie zum nächsten Gedeck: „Und die Blumen auf dieser Tasse erinnern mich immer an einBild aus dem Poesiealbum“, sagt sie. Tatsächlich. Diese rosa, hellblauen und gelben Blümchen könnten einem dieser Büchlein mit den Erinnerungssprüchen entstammen. Jene mit den Blüten mögesie besonders. Vielleicht, weil sie als Kind nach dem Krieg auch immer auf dem Schutthaufen jene Scherben mit Blumengesucht und mit diesen gespielt hat.In diese dunklen Tassen sei sie wenigerverliebt, sagt sie und zeigt dabei auf ein paar vorwiegend in Anthrazit gehaltene Gedecke ganz unten im Regal. Auch jene oben auf der Regalwand möge sie weniger, erzählt die Sammlerin und deutetdabei auf Tassen mit hohen Füßen. Diese seien aus den 50er- und 60er-Jahren. Wohl die Hochzeit für Sammeltassen.
Edelgard Weller hat allerdings erst 1999 mit dem Sammeln begonnen.
Als sie im Schloss Linderhof die Vasensammlungvon König Ludwig II. sah, fasste sie den Beschluss: „Ab jetzt sammle ich Sammeltassen.“ Zwei hatte sie damals schon.Eine hatte ihr ein lieber Großonkel zur Konfirmation geschenkt, diese bewahrtsie extra in ihrem Wohnzimmer auf, undeine bekam sie Mitte der 90er von ihrerTochter. Über 800 Tassen in elf Jahren da brauchte es einige Flohmarktbesuchepro Jahr, bis sie diese stattliche Sammlung hatte.
Am Anfang habe sie alles gekauft undeiniges dafür bezahlt. Heute sei das anders. Sie führe ihre Sammlung zwar fort,sei aber auf die Kosten bedacht. Jene versilberte Tasse habe sie am Wochenende beispielsweise für zwei Euro gekauft. In Leipheim, auf einem großen Flohmarkt, den sie und ihr Mann in der Regel zweimal pro Jahr besuchen. Sonst seien sie öfter in Stuttgart oder in Schwäbisch Gmünd auf dem Flohmarkt. Ihr Mann sei nicht genervt von ihrer Leidenschaft.„Hast du diese schon gesehen?“, frage ersie oft beim Vorbeischlendern an denVerkaufstischen und präsentiere ihr eine der hübsch verzierten Tassen. Sie prüft dann, ob der Stempel der Teller und derTasse tatsächlich zusammenpassen, das sei nämlich nicht immer der Fall, und lässt sich ein Angebot machen. Zuhause spült und poliert sie die Tasse, vergleicht ihre Stempel mit jenen in ihren Sammeltassenbüchern und kann so die Zeitspanne festlegen, in denen sie hergestellt wurden.
Die Jahreszahlen vermerkt sie dann auf einem kleinen Kleber am Tellerboden. Nur rund 50 Tassen bewahre sie bei sich im Wohnzimmer auf. Mit diesen decke sie ihre Geburtstagstafel ein,wenn mehrere Frauen kommen. Dann suche sich jede der Frauen die für sie schönste Tasse aus und nehme bei dieser Platz.
Die in der früheren Scheune aufbewahrten Gedecke benütze sie nie. Bevor neu auf dem Flohmarkt erstandene Tassen dorthin kommen, stelle sie diese erst eine Weile in der Küche auf. Dann sehe sie die neue Errungenschaft ständig und wisse darum genau, welche Tasse sie schon hat und welche nicht. Nur sie hat noch den Überblick, deshalb bekomme sie auch nie welche geschenkt. Denn doppelt brauche sie die Gedecke nicht. Es seien zwar schon andere Sammler auf Sie zugekommen aber eine Tauschbörse sei nichts für sie.
Edelgard Weller sammelt für sich. Und ein bisschen auch für ihre Enkelin, die schon Interesse angemeldet hat. Wenn allerdings eine Gruppe durch Waldmannshofen kommt, zeigt sie ihre Sammlung gerne. Und noch jeder sei begeistert gegangen. Nicht nur die Frauen. Die Einträge in ihrem Gästebuch belegen es: Sie reichen von einem „traumhaft“ einer Albvereinsortsgruppe bis zu Dankesworten einer Gruppe junger Frauen beim Junggesellinnenabschied. Ein Tipp aber vorne-weg: Wer die Sammlung sehen möchte, sollte viel Zeit mitbringen. Denn das Bezaubernde der Tassen steckt im Detail.